We Are Future

Ein Zeitreise-Bericht einer 12. Klasse am Beruflichen Schulzentrum Delitzsch vom 18. bis 19. November 2021


Wir schreiben das Jahr 2040

Insgesamt besteht eine wohlhabende und zufriedene Gesellschaft. Zwar gibt es nach wie vor deutliche Einkommensunterschiede, jedoch können die geringer Verdienenden nicht als „arm“ im klassischen Sinne gelten. Jeder Arbeitstätige erhält ein Mindesteinkommen von monatlich 2.000 Euro. Die Wohlhabenderen verdienen nicht selten 10.000 Euro oder mehr im Monat. Daneben existiert ein Gesetz, dass alle lebenswichtigen Güter wie Kleidung Lebensmittel und Wohnraum für einen günstigen Preis und dennoch mit guter Qualität angeboten werden müssen. Dazu leistet der Staat einen deutlichen finanziellen Beitrag.

Diese Politik verdankt sich der Partei WAF (We Are Future), die schon seit mehreren Jahren stabil und erfolgreich regiert. Sie gestaltet ihre Maßnahmen transparent und mit einem hohen Grad an Bürgerbeteiligung, z.B. durch Volksentscheide. Ein Schwerpunkt des politischen Alltags ist die Transformation der Wirtschaft und Berufswelt durch eine beschleunigte Digitalisierung und Robotisierung der Arbeit. Dieser Vorgang vernichtet nicht nur Arbeitsplätze, sondern er schafft auch neue. Die Regierung unterstützt die Beschäftigten mit entsprechenden Umschulungsprogrammen. Zudem können die Menschen dank der Roboter in der Industrie zunehmend körperlich weniger anstrengenden und doch geistig herausfordernden Tätigkeiten nachgehen. Die Freizeit wurde ausgebaut und das Renteneintrittsalter wieder auf 65 Jahre gesenkt.

Refinanziert werden all diese Maßnahmen nicht zuletzt durch Einsparungen von Ressourcen in der Wirtschaft sowie staatlichen Verwaltung und Infrastruktur aufgrund der genannten Technologisierung. Des Weiteren kurbeln neue Technologien die Wirtschaft an, auch wenn es sich um Luxusprodukte oder nur Prototypen wie etwa fliegende Autos handelt, die sich zunächst nur Besserverdiener leisten können. Doch allseits hat im Privaten bereits sehr viel Technik Einzug gehalten, obwohl diese nicht immer völlig ausgereift ist, wie beispielsweise Roboter, die Gäste empfangen und bedienen oder den Garten bestellen. Ferner wird neben der Funktionalität auch ein großer Wert auf das Design nicht nur von technischen Geräten gelegt. So hat auch die Wohnarchitektur einen großen Modernisierungsschub erfahren, aber nicht ohne Anklänge auch an die klassische, z.B. Bauhaus-Architektur.



Eine Szene, die sich im Jahre 2040 zugetragen hat…

1. Akt: Vor einer Villa

 Handelnde Personen:  

  • Zeitreisender  
  • Rentner  

Karl-Heinz, ein Mann im besten Alter, startet aus dem Jahr 2021 auf eine ungewisse Zeitreise in die Zukunft. Nach der Landung versucht er sich erst einmal zu orientieren. Er spaziert durch eine Siedlung mit sehr modernen und zugleich an das Bauhaus erinnernden Wohnhäusern. Diese werden den Klingelschildern zufolge trotz ihrer vielen Etagen jeweils von nur einer Familie bewohnt. Er begegnet einigen Passanten, traut sich aber nicht, jemanden anzusprechen. Erst als er in einem Vorgarten einen vertrauenerweckenden älteren Herrn hantieren sieht, überwindet er seine Scheu.

Zeitreisender (über den Zaun in Richtung des älteren Herren): Hallo!

Rentner (aufblickend und verwundert): Darf ich fragen, wer Sie sind?

Zeitreisender: Ich? Ich bin durch die Zeit gereist. Mein Name ist Karl-Heinz.

Rentner (mit großen Augen und noch etwas ungläubig): Das gibt’s ja nicht, so heiße ich auch! Dann können wir uns ja duzen…

Zeitreisender: Gerne!

Rentner: Los, komm doch mal in meinen Garten, dann zeig und erzähl ich dir, wo du gelandet bist!

Zeitreisender: Das ist sehr lieb!

Rentner (dem Gast das Gartentor öffnend): Bitte tritt ein!

Zeitreisender: Dankeschön!

Der jüngere Karl-Heinz bewundert die sehr gepflegten Blumenrabatten und gibt sich ebenfalls als Kenner vieler Zierpflanzensorten zu erkennen.

Rentner: Nun, was interessiert dich außer den Blumen, was willst du wissen?

Zeitreisender: Na ja, in welchem Jahr sind wir hier?

Rentner: 2040.

Zeitreisender (überrascht): Oh je! Und wie leben die Menschen hier?

Rentner: So richtig arme Menschen gibt es nicht mehr. Jeder verdient mindestens 2.000 Euro.

Zeitreisender (mit offenem Mund): Das ist ja echt cool! Und wie viel verdienst du? Das Haus (die 6 Etagen mit den Augen nach oben wandernd) ist ja gigantisch!

Rentner (mit ruhiger, unaufgeregter Stimme): Als Arbeitstätiger habe ich zuletzt etwas über 10.000 Euro bekommen. Jetzt sind es rund 5.000 Euro Rente.

Zeitreisender: Wow! Die Menschen, die mir begegnet sind, sehen ziemlich zufrieden aus.

Rentner: Das liegt auch daran, dass die Demokratie seit einigen Jahren eine größere und konkretere Rolle im Leben der Menschen spielt. Das verdanken wir der WAF!

Zeitreisender: Wofür steht denn WAF?

Rentner: „We Are Future“. Das ist eine Partei.

Zeitreisender: Ah, ok!

Rentner: Karl-Heinz, lass uns mal reingehen, ein Tässchen Tee trinken!

Zeitreisender: Gerne, Karl-Heinz!

Beide lachen und gehen durch die sich automatisch öffnende und wieder schließende Haustür.


2. Akt: Auf der Veranda

 Handelnde Personen:  

  • Zeitreisender  
  • Rentner  
  • Mix, Lix und Flix ­–   
    drei Roboter  

Der jüngere Karl-Heinz traut seinen Augen kaum, als sie durch einen langen Flur wandeln, mit einer Galerie aus Bildschirmen, die wechselnde atmosphärische Ansichten wiedergeben, um schließlich über eine Rolltreppe zu einer Dachveranda mit einem Panoramablick über das offenbar sehr grüne und mit vielen Villen bebaute Wohnviertel zu gelangen.

Zeitreisender (begeistert die Veranda abschreitend und durch die Dachfenster in den blauen Himmel blickend) Wow, das Haus ist in allen Belangen genial!

Rentner: Danke! (hastig) Karl-Heinz, pass auf!

Zeitreisender: Ups!

Beinahe wäre der jüngere Karl-Heinz über drei kleine, emsig am Boden fahrende Roboter gestolpert!

Zeitreisender: Oh, kleine Roboter, wie cool!

Rentner (zu den Robotern): Mix, Lix und Flix, bringt uns bitte Tee und was zum Knabbern!

Wenig später kommt Mix mit einem Teeservice angefahren, gefolgt von Lix mit einem Tablett voller Gebäck. Hinter ihnen fährt Flix und wischt bzw. fegt weg, was die beiden vor ihm verschüttet haben. Der ältere Karl-Heinz beugt sich zu Mix und Lix hinunter, um ihnen den Tee und das Gebäck abzunehmen und alles auf einem Tischchen zwischen zwei Lederliegesesseln abzustellen.

Rentner: Bitte, greif zu!

Der jüngere Karl-Heinz vergisst bei aller Aufregung und Neugier etwas zu nehmen.

Zeitreisender: Wie steht es denn eigentlich um die Versorgungslage der Bevölkerung insgesamt?

Rentner: Die Partei WAF hat ein Gesetz eingeführt, welches dafür sorgt, dass lebenswichtige Güter günstig zur Verfügung stehen.

Zeitreisender (skeptisch): Für alle Menschen?

Rentner: Ja aber na klar!

Zeitreisender: Und wie sieht es aus mit dem technischen Fortschritt?

Rentner: Bestimmt interessieren dich fliegende Autos, oder?

Zeitreisender (mit leuchtenden Augen): Na klar!

Rentner: Die dürften in Kürze Realität werden. Aktuell arbeitet man an der Technik und dem Design solcher Autos.

Zeitreisender: Oh! Und wir sehen diese Arbeitsprozesse aus?

Rentner: Komm, wir gehen ins Nebenzimmer! Da hängt eine Leinwand und da kann ich’s dir zeigen.

Zeitreisender: Wie soll das denn gehen?

Rentner: Ich habe bis zur Rente als Entwickler in einem Konstruktionsbüro für Autos gearbeitet und kann mich immer noch mit meinen ehemaligen Kollegen per Video verbinden. Manchmal werde ich auch noch um den einen oder anderen Rat gefragt.

Zeitreisender: Das klingt ja cool! Dann lass uns mal rübergehen!

Die beiden gehen ins Nebenzimmer, das wie ein Homeoffice aussieht, und setzten sich vor einer riesigen Leinwand auf Drehstühle, mit denen man schwebend-leicht über den Boden gleiten kann. Der ältere Karl-Heinz startet eine gestochen scharfe Live-Übertragung von seinem einstigen Arbeitsplatz.


3. Akt: Im Konstruktionsbüro

 Handelnde Personen:

  • Autokonstrukteur  
  • Autodesigner  
  • Autodesignerin  
  • Zeitreisender  
  • Rentner  

Das Video zeigt, wie drei Mitarbeiter des Konstruktionsbüros für Automobilität rege über die neuesten Entwicklungen diskutieren.

Autokonstrukteur: So Leute, jetzt sollten wir endlich mal ranklotzen!

Autodesigner: Wir müssen auf jeden Fall diese Woche noch fertig werden.

Autokonstrukteur: Wie wollen wir den neuen Prototypen denn gestalten?

Autodesigner: Ich hab mir überlegt, die Carbonkarosserie weiß zu spritzen und die Fenster aus Acrylglas zu drucken.

Autodesignerin: Aber wollen wir nicht lieber aufs Moderne setzen? Also ich meine, wir könnten ja getönte Fenster aus Panzerdünnglas nehmen und die Karosse aus Metallglas, also transparent fertigen.

Autokonstrukteur: Das klingt nach einem ungewöhnlichen Design, ergibt aber ein äußerst stabiles und zugleich leichtes Fahrzeug. Vielleicht schaffen wir damit den Durchbruch zu einem Flugauto!

Autodesigner: Aber müsste ein solches Auto nicht trotzdem noch Räder haben?

Autodesignerin: Wenn ja, dann sollten sie einklappbar sein, um nicht die ganze Zeit die schnittige Ästhetik zu stören.

Autokonstrukteur (euphorisch): Das klingt nach einem Plan. Lass uns da mal konkreter werden!

Die drei Entwickler klatschen sich gegenseitig ab. Der jüngere Karl-Heinz starrt immer noch gebannt auf die Leinwand, auch nachdem der ältere längst die Videoübertragung ausgeschaltet hat.

Rentner: Und, was sagst du?

Zeitreisender (nach Worten suchend): Äh, krass – wirklich!

Rentner: Aber jetzt habe ich dir so viel von meinem Leben gezeigt. Nun erzähl du doch mal was über dich! Wie geht’s dir in deiner Zeit und was machst du beruflich?

Zeitreisender: Nun ja, ich bin Gärtner und habe deshalb draußen deine Blumen so bewundert. (der ältere Karl-Heinz spitzt die Ohren) Und Autos waren immer mein Hobby. Aus meinem anfänglichen Berufswunsch Automechaniker…

Rentner (will dazwischenreden): Warte mal!

Zeitreisender: … ist leider nie etwas geworden, wegen einer Ölallergie.

Dem älteren Karl-Heinz fällt es wie Schuppen von den Augen.

Rentner (aufgeregt): Das gibt´s doch nicht! Wieso bin ich da nicht gleich draufgekommen? – Und, Karl-Heinz, dein Hobby ist ein Mercedes W 123 300 D Turbo, Baujahr 1981, oder?

Zeitreisender (verblüfft): Was, woher weißt…

Renter: Na weil ich du bin, du Dösel!

Zeitreisender (verstört): Wie, was, ich, du?

Rentner (langsam sprechend): Ich bin du in der Zukunft!

Zeitreisender: Ja?

Rentner: Entspann dich! Du wirst in Kürze noch zu deinem Traumberuf kommen, durch das kostenlose Umschulungsprogramm der WAF für schwindende körperliche Berufe. Schon 2023 übernehmen Roboter das Gärtnern. Sei froh, denn dein Rücken macht dir doch schon seit Jahren Probleme! 2025, nach der Umschulung, steigst du als Autokonstrukteur ein. Die suchen technikbegeisterte Leute. Und nach einem geistig anspruchsvollen und zugleich bequemen wie gut bezahlten Job kannst du dich schon mit 65 in die Rente verabschieden.

Zeitreisender: Das ist nicht wahr!

Rentner: Doch, wird es!

Noch eine ganze Weile braucht der jüngere Karl-Heinz, um sich, dem älteren, zu glauben. Wehmütig und zugleich froh gestimmt tritt er die Rückreise ins Jahr 2021 an, denn das angenehme Leben, das er verlässt, wird ja das seine sein.