Ein Zeitreise-Bericht einer 12. Klasse am Beruflichen Schulzentrum Delitzsch vom 18. bis 19. November 2021
Wir schreiben das Jahr 2040
Wir sind im Zentrum einer größeren Stadt gelandet. Auf der Straße direkt vor uns findet gerade eine Demonstration statt. Die Demonstrierenden tragen fast einheitliche Kleidung. Sie rufen und zeigen auf ihren Plakaten Slogans wie „Wir wollen unsere Rechte zurück!“ oder „Veränderung jetzt!“. Immer mehr Menschen schließen sich dem Protest an. Ein Polizeiauto, das herangeschwebt kommt, wird von den Aufständischen sofort in Brand gesteckt.
Uns ist die Lage zu riskant und wir schleichen zu einem der vielen maroden Häuser in diesem Stadtteil. Wir schauen durch ein Fenster in eine Wohnung des unteren Stocks und können nur spärliche Ausstattungen erblicken. Viele Menschen scheinen in ärmlichen Verhältnissen zu leben. Erst jetzt bemerken wir die unzähligen Drohnen, die am Himmel kreisen und durch die Straßen fliegen. Wir verstecken uns hinter einer Mauer und überlegen unser weiteres Vorgehen.
Wir beschließen einen der Demonstranten zur Seite zu holen, um ihn über die Vorgänge und die allgemeine Situation im Land zu befragen. Wir können einen jungen Protestler für dieses Vorhaben gewinnen. Wir erfahren von ihm, dass erst seit wenigen Jahren eine Bande krimineller Superreicher diktatorisch über alle Orte und Regionen des Landes regiere. Diese Bande betreibe die Enteignung und Ausbeutung der Bürger. Diese dürften nur kleine Bargeldbeträge besitzen und bei sich führen, für nötige Tagesausgaben. Dennoch käme es immer wieder vor, dass die Polizei auch noch diese Beträge und die letzten Wertsachen konfisziere. Bankkonten seien verboten. Nichtsdestotrotz deckten die Behörden immer wieder mit großem Aufwand und nicht selten Gewalt Geldverstecke und ausländische Konten von noch Vermögenden und insbesondere Unternehmern auf.
Zudem erhielten alle Bürger, die einer Untersuchung unterzogen würden, Identifikationsnummern auf ihren rechten Unterarm tätowiert. Der junge Mann zeigt uns seine Nummer, die in einer seltsam leuchtenden und wohl leicht auszulesenden Farbe schimmert. Er erzählt uns weiter von der allgemeinen Gleichschaltung und Überwachung im Land. Der technische Fortschritt stagniere zwar, jedoch habe die Polizei modernste Drohnen, autonom fahrende, ja schwebende Autos sowie kleine multifunktionale Geräte zur Verfolgung der Bürger.
Es stimme, dass der Staat eine gewisse Grund- bzw. Notversorgung durch Ausgabestellen für Lebensmittel und Kleidung, Notbehandlungen für Kranke, einen freien Personennahverkehr sowie eine kostenlose Bildung an staatlichen Schulen ermögliche. Das Niveau dieser Versorgung sei aber sehr gering und führe zu noch mehr staatlicher Kontrolle. Außerdem stagniere die Wirtschaft durch die stark gesunkene Kaufkraft und Unfreiheit der Menschen.
Wir danken unserem auskunftsfreudigen Informanten, wünschen ihm trotz aller Missstände seiner Welt und Zeit alles Gute und entscheiden, möglichst schnell in die ungleich bessere Vergangenheit zurückzukehren.
Eine Szene, die sich im Jahre 2040 zugetragen hat…
1. Akt: Die Überwachungseinheit
In jeder Polizeistation des Landes sitzen ganze Hundertschaften von Polizeibeamten vor Monitoren, um das Verhalten der Bürger zu jeder Zeit und an jedem Ort zu verfolgen. Zudem patrouillieren mobile Überwachungseinheiten durch die Stadt, um näher am Geschehen zu sein und sofort eingreifen zu können. Eine solche Einheit, bestehend aus drei Polizisten, ist gerade im Zentrum einer größeren Stadt unterwegs. Auf kleinen Kommunikatoren erhält jeder Polizist stetig Informationen aus der Polizeistation, von Kollegen und von den Drohnen, die das ganze Land observieren.
1. Polizist (auf dem Marktplatz und auf seinen Kommunikator blickend): Hier Nr. 1! Am Markt sieht alles ok aus.
2. Polizist (vor dem Rathaus): Hier Nr. 2! Stimmt, das kann ich bestätigen!
3. Polizist: Hier Nr. 3! Auch der Stadtpark ist sauber, da ist keiner.
2. Polizist: Super, ich nähere mich nun dem Einkaufzentrum. Aber da sieht auch alles in Ordnung (bekommt ein Alarmsignal auf seinen Kommunikator) – nein, Moment mal!
Auf den Alarm folgt ein Live-Video vom kritisch bewerteten Geschehen. Durch die belebte Einkaufspassage spazieren drei sehr wohlhabende Unternehmer und Geschäftspartner und wähnen sich in der Masse und dem Lärm der Menschen in relativer Sicherheit.
1. Unternehmer: Und wie viel habt ihr dieses Jahr so verdient?
2. Unternehmer: 14 Millionen.
1. Unternehmer: Ich hab ganze 6 Millionen Umsatz gemacht.
3. Unternehmer: Ich bewege mich auch ungefähr in diesem Bereich. Und ich bin heilfroh, dass uns der Staat noch nicht gefasst hat, wie so viele andere.
2. Unternehmer (seufzend): Ja, zum Glück!
Der Polizist mit dem Alarmsignal auf seinem Kommunikator hat unterdessen das Einkaufszentrum betreten.
2. Polizist (an seine Einheit funkend): Hier Nr. 2! Im Kaufhaus da sind welche, die haben Geld!
1. Polizist (enthusiastisch): Das kann nicht sein, das geht nicht!
2. Polizist: Was machen wir jetzt?
1. Polizist: Wir müssen die festnehmen…
3. Polizist: …und dem Diktator Bescheid geben!
1. Polizist: Nr. 2, wir kommen zu dir. Gib es uns ein paar Minuten!
Die beiden anderen Polizisten treffen ebenfalls im Einkaufszentrum ein und nutzen das Navigationssystem ihrer Kommunikatoren, um die Gesuchten geschickt zu umzingeln. Schließlich werden diese gestellt, als sie eine Rolltreppe verlassen wollen.
2. Polizist (mit einer gezogenen Laserpistole): Halt, stehen bleiben! Wir haben gesehen, ihr habt Geld, sehr viel Geld!
Dir drei Unternehmer halten sich verängstigt aneinander fest.
1. Polizist (streng und ebenfalls mit gezogener Waffe): Gebt uns sofort euer Geld!
Dir drei kramen einige Scheine aus ihren Hosen- und Manteltaschen, die der dritte Polizist einsammelt.
3. Polizist (grob): Was, das soll alles sein? Nun, ihr müsst jetzt alle mitkommen auf die Station zur eingehenden Untersuchung! Euer gesamtes Vermögen gehört dem Staat.
Jeder der Polizisten führt einen der Unternehmer in Handschellen zu dem selbstfahrenden und räderlosen Dienstwagen, der auf dem Marktplatz steht und in wenigen Minuten zur Polizeistation schwebt.
2. Akt: Das Inkasso-Büro
In der städtischen Polizeistation befindet sich ein Inkasso-Büro, zur Konfiszierung von unerlaubtem Geldbesitz und Vermögen. Der hiesige Statthalter – die Bevölkerung nennt ihn nur den Diktator – lässt es sich nicht nehmen, einmal in der Woche selbst die Beschlagnahmungen und Überprüfungen durchzuführen, so wie heute. Er thront auf einem riesigen Lederdrehstuhl vor einem Tisch voller Geld und anderen Wertsachen, während eine lange Schlange gebeugter, ja ängstlicher Menschen im Gang auf den Einlass ins Büro wartet.
Diktator: Der Nächste! (Eine ältere, nicht unbedingt wohlhabend aussehende Frau tritt ein.) Los, gib mir dein Geld!
Ältere Frau (kooperativ mehrere Geldscheine abliefernd): Hier, bitte!
Der Frau wird vor dem Rausgehen von einem Assistenten des Diktators eine Identifikationsnummer mit einer Art Laserpistole in den rechten Unterarm tätowiert.
Diktator: Der Nächste! (Ein Mann in zerschlissenen Sachen, wahrscheinlich ein Bettler, tritt ein. Der Diktator rümpft die Nase.) Her mit dem Geld!
Der Mann legt einen Geldschein und einiges an Kleingeld auf den Tisch.
Bettler (klagend): Das ist alles, was ich hab!
Diktator (verächtlich): Nee, hier dein Klimpergeld kannst du behalten! Wegtreten! (Auch dem Bettler wird eine ID-Nummer tätowiert.) – Der Nächste! (Ein Jugendlicher kommt herein und hält ein paar Geldscheine so fest er nur kann. Der Diktator reißt sie ihm aus der Hand.) Na gib schon her! (Es folgt die Tätowierung.) – Der Nächste! (Der erste der drei festgenommenen Unternehmer wird vor den Diktator geführt.) Ah, der feine Herr! Was ist denn in deinem Aktenkoffer?
1. Unternehmer: Nur Akten!
Diktator (mit wachsender Freude): Aufmachen! (Der geöffnete Koffer enthält mehrere Geldscheinbündel.) Du denkst wohl, du und deinesgleichen, ihr könnt mich an der Nase herumführen? – Wache (Es treten drei bewaffnete Polizisten ein.), bringt den hier und die zwei anderen in die Untersuchungszelle! Überprüft sie bis auf die Haut, ob sie nicht doch noch Wertsachen bei sich haben! Und erpresst, wenn es sein muss unter Folter, Informationen zu möglichen Geldverstecken und Schwarzkonten! Und tätowiert ihnen die Sonder-ID-Nummern!
Es folgen noch viele weitere Bürger, die der Willkür des Diktators ausgesetzt sind.
3. Akt: Die Demonstration
Sechs Bürger haben sich zu einer kleinen, aber lautstarken Demonstration im Stadtzentrum versammelt. Die gerufenen Forderungen halten sie auf Plakaten hoch. Einige mutige Unterstützer haben sogar Spruchbanner an die Fassaden der meist maroden Wohnhäuser gehängt. Und unter den Demonstranten ist auch jener Jugendliche, der sein Geld (die Ersparnisse aus mehreren Geburtstagsgaben) nicht hergeben wollte, sowie einer der Unternehmer, die mit schwerer Gewalt enteignet wurden.
1. Bürger: Wir wollen die Förderung der Wirtschaft!
2. Bürger: Wir fordern Veränderung!
3. Bürger: Wir wollen unsere Rechte zurück!
4. Bürger (einer der Unternehmer): Schluss mit der Enteignung!
5. Bürger: Wir können auch anders!
6. Bürger (Jugendlicher): Wir kämpfen für die Freiheit!
Es schließen sich noch weitere unzufriedene Menschen der Kundgebung an. Die Stimmung heizt sich auf und droht zu eskalieren. Doch die ganze Zeit kreisen Überwachungsdrohnen über dem Geschehen und es dauert nicht lang, da schwebt ein erstes Polizeiauto heran.