Das Paradies auf Erden oder dem Mars?

Ein Zeitreise-Bericht einer 12. Klasse am Beruflichen Schulzentrum Delitzsch vom 18. bis 19. November 2021


Wir schreiben das Jahr 2040

Die regierende Partei nennt sich DGE, Demokratisch Gemeinschaftliche Einheit. Diese steht für Vielfalt, Toleranz, Tierschutz, Umwelt und Gleichheit. Über Gesetzesvorhaben wird durch digitale Volksabstimmungen entschieden. Dies ist ein Grund für die hohe Zufriedenheit der Bürger. Ein weiterer ist die annähernde Status- und Chancengleichheit aller Menschen. So gibt es in kleineren und größeren Orten Gemeinschaftsschulen für sämtliche Schüler, ein einheitliches Versicherungs- und hochmodernes Gesundheitssystem sowie nur geringe Einkommensunterschiede.

Schwerpunkt der Politik und im Alltag ist der Umweltschutz. Zwar konnte der Klimawandel nicht völlig gestoppt, jedoch unter Kontrolle gebracht werden, dank eines massiven Ausbaus erneuerbarer Energien. Fast alle Gebäude sind mit Solarpaneelen ausgestattet. Clean Meat ist längst für alle bezahlbar, weshalb keine Schlachtbetriebe und auch keine Massentierhaltung mehr existieren. Stattdessen decken kleine, private Bio-Bauernhöfe den Bedarf an Produkten wie Milch, Eiern und Wolle, die das Tierwohl nicht oder kaum gefährden. Und nicht zuletzt hat auch die Artenvielfalt in der Natur wieder zugenommen.

Die Technik wurde vor allem in den Bereichen Kommunikation und Verkehr weiterentwickelt und dabei vermehrt auf Künstliche Intelligenz gesetzt. Für Menschen ab dem Renteneintrittsalter von 80 Jahren (die meisten sind auch noch darüber hinaus gesund und rüstig) gibt es seit kurzem die Möglichkeit, in der Abgeschiedenheit des Planeten Mars einen ruhigen Lebensabend zu verbringen, nicht ohne den gewohnten Wohn- und Pflegekomfort von der Erde.



Eine Szene, die sich im Jahre 2040 zugetragen hat…

1. Akt: Auf einem Bauernhof

 Handelnde Personen:  

  • Svetlana – Landwirtin  
  • Meike – Landwirtin  
  • Schwein  
  • Kücken  
  • Kuh  
  • Schaf  

Svetlana und Meike sind seit längerem ein Pärchen und führen zusammen einen Bauernhof. Für eine Werbekampagne im Internet drehen sie ein Video über ihren Hof und ihre Arbeit.

Svetlana (vor dem Hoftor mit einem breiten, aber ehrlichen Grinsen in die Kamera blickend): Herzlich willkommen auf unserem Bio-Bauernhof!

Die Kamera folgt Svetlana, die in den Stall geht, wo Meike steht.

Meike (mit der Stimme einer Macherin): Wir haben glückliche Schweine (die Kamera zoomt auf ein quiekendes Ferkel), die wir nicht schlachten. Unsere Kücken sind ebenfalls glücklich, auch die männlichen, da sie nicht mehr geschreddert und zu Chicken Nuggets verarbeitet werden. (Man sieht einige piepsendes Kücken unter einer Rotlichtlampe hüpfen.) Na, meine Kleinen!

Svetlana (beseelt): Und wir halten Kühe, die keine genmanipulierte Milch geben (klopft einer Kuh auf den Rücken, die sogleich muht), und eine neue Schafrasse (krault einem blökenden Schaf den Hals), die ganz weiche Wolle produziert.

Meike: Bio-Wolle!

Svetlana (erleichtert lächelnd): Nun, das ist unser Bio-Bauernhof.

Meike (mit erhobenen Daumen): Ein toller Bauernhof!

Beide legen einen Arm um die Schulter der anderen und winken mit den freien Händen in die Kamera.

Beide: Bis bald auf unserem Hof!


2. Akt: In der Schule

 Handelnde Personen:  

  • Svetlana – erste Mutter  
  • Meike – zweite Mutter  
  • Tommy – der Sohn  
  • Lehrerin – Frau Wurst  

Die Landwirtinnen Svetlana und Meike sind Mütter eines Sohns im Grundschulalter. Heute wurden sie zusammen mit ihm (Tommy ist sein Name) in die Schule zur Elternsprechstunde eingeladen. Schon einige Zeit warten sie in seinem Klassenzimmer auf das Erscheinen von Frau Wurst, der Klassenlehrerin. – Vielleicht wegen Erinnerungen an die eigene Schulzeit oder aus dem Übermut frisch Verliebter oder aber einfach nur aus Langeweile beginnen die Mütter mit ihren Stühlen zu kippeln. Als nacheinander beide umkippen, überfällt sie ein herzhaftes Lachen.

Tommy (seufzend): Ihr seid so peinlich!

Lehrerin (plötzlich eintretend): Äh, guten Tag! (streng) Können Sie sich bitte auf Ihre Stühle setzen? Ich habe Sie hierher bestellt, weil mir aufgefallen ist, dass Ihr Sohn ständig dumme Fragen stellt, die nichts mit dem Unterricht zu tun haben.

Svetlana (konsterniert): Unser Tommy stellt doch keine dummen Fragen!

Tommy (nicht zuhörend und verträumt aus dem Fenster auf ein Hochhaus gegenüber der Schule blickend): Wozu sind denn diese Platten da auf dem Dach?

Meike (kurz angebunden): Solarenergie!

Tommy: Aber Muttilis, gab’s so was nichts auch schon, als ihr noch jung ward? Was ist denn jetzt überhaupt besser als früher?

Meike (leicht genervt): Schätzchen, wir sind nachhaltig!

Tommy (die Stirn runzelnd): Äh, was?

Svetlana (mit ruhiger, sanfter Stimme): Wir tun etwas für die Tiere.

Meike: Für ihre Gesundheit!

Svetlana (stolz): Wir minimieren unseren ökologischen Fußabdruck.

Tommy: Und wofür?

Svetlana (zärtlich): Für deine Zukunft, mein Tommylein! (will dem Sohn den Kopf streicheln, doch dieser entzieht sich der Geste)

Tommy: Aber was bringt mir das?

Meike (mit Nachdruck): Freude am Leben, Glück!

Lehrerin (lakonisch): Nun, können Sie diese Fragen nicht einfach zu Hause klären, damit Ihr Sohn sie nicht immer im Unterricht stellt?

Svetlana: Äh, natürlich!

Es ertönt ein Nachrichtenton auf Tommys Handy. Er liest eine Kurznachricht von seinen Großeltern.

Tommy: Ok, ich stelle keine Fragen mehr. Können wir dann jetzt aber nach Hause und mit Omi und Opi facetimen?

Lehrerin (schon sichtlich ungeduldig): Ja Tommy, viel Spaß dabei und bis morgen!

Die Lehrerin winkt die Familie nach draußen. Tommy prescht voran, Meike folgt ihm mit grimmigem Blick. Svetlana wirkt ein bisschen überrumpelt, bewahrt aber ihr stetes Lächeln und bleibt kurz in der Tür stehen, um der Lehrerin noch einen schönen Abend zu wünschen.


3. Akt: Auf dem Mars

 Handelnde Personen:

  • Oma Helga  
  • Opa Herbert  
  • Pflegerin  
  • Tommy – der Enkel  

Tommys Großeltern, Helga und Herbert, sind weit über 90 und verbringen seit einigen Monaten ihren Lebensabend in einem Altersheim auf dem Mars. Wie jeden Abend beschließen sie auch diesen mit einer lauten Tanzgymnastik zu ABBAS „Dancing Queen“, dem Lieblingslied ihrer Jugend. Und Opa Herbert vergisst, von den Rhythmen und Erinnerungen beschwingt, nicht zum ersten Mal, dass er eigentlich auf seinen Rollator angewiesen ist.

Opa Herbert (um Helga tänzelnd): Ach Helga, weißt du noch?

Oma Helga (mit einem lässigen Hüftschwung): Ach Herbertchen, wie immer ganz der Alte!

Plötzlich betritt die Altenpflegerin, die in der Küche das Abendbrot zubereitet, das Wohnzimmer.

Pflegerin (gegen den Lärm ansprechend): Entschuldigung, können Sie die Musik leiser machen? Es piept, ihr Enkel ruft von der Erde an.

Oma (außer Atem): Ok!

Herbert schaltet die Musik aus. Es setzt sich zum Ausruhen auf seinen Rollator und Helga auf seinen Schoß. An einer freien Wand des Zimmers erscheint ein gestochen scharfes und flüssiges Videobild von Tommy in Lebensgröße.

Tommy (winkend): Hallo Omi, hallo Opi!

Beide (zurückwinkend): Hallo Tommy!

Tommy: Wie geht’s euch auf dem Mars?

Oma (mit leuchtenden Augen): Superschön hier!

Opa (entspannt): Supi.

Tommy: Und was macht ihr den ganzen Tag?

Pflegerin (aus der Küche rufend): Abendbrot ist fertig!

Oma (zu Tommy): Na das siehst du doch! Herbert, komm, noch eine Runde!

Sie schaltet erneut die Musik ein, zieht ihren Mann wieder auf die Beine und tanzt mit ihm um den Esstisch, so als hätte niemand angerufen…