Ein Zeitreise-Bericht einer 12. Klasse am Beruflichen Schulzentrum Delitzsch vom 15. bis 16. November 2021
Wir schreiben das Jahr 2040
Um die Zufriedenheit der Menschen zu erhöhen, wurde ein hochmoderner Test erfunden. Alle Schüler bzw. Absolventen haben sich diesem Test in ihrem 18. Lebensjahr zu unterziehen. Der Test untersucht die allgemeine Intelligenz und spezielle, auch praktische Fähigkeiten. Je nach Ergebnis werden die Getesteten für einen Beruf berufen. Hohe Ergebnisse deuten auf einen akademischen Beruf hin, niedrigere auf Berufe des Mittelstandes.
Bei der entsprechenden Ausbildung und Jobsuche erhalten die Berufenen großzügige und effektive Unterstützung vom Staat. Freilich unterscheiden sich die künftigen Einkommen der Arbeitstätigen je nach zugewiesenem Beruf. Das Durchschnittseinkommen ist jedoch bei den meisten Berufsgruppen bereits auf einem guten Niveau. Als Absicherung gibt es im Notfall auch noch ein Grundeinkommen, das aber an die Bereitschaft zur Arbeit geknüpft ist.
Trotz der Einkommensunterschiede, die indes dank der individuellen Berufungsverfahren der jungen Leute nicht mehr familiär vererbt werden, und ungeachtet einiger Spitzenverdiener ist die Zufriedenheit der Bürger hoch und der Neid gegenüber anderen gering. Denn wichtig ist den Berufstätigen über eine Bezahlung hinaus gemäß den eigenen Fähigkeiten und Leidenschaften arbeiten und sich verwirklichen zu können.
Eine Szene, die sich im Jahre 2040 zugetragen hat…
1. Akt: An einer Bushaltestelle
Erzählerin: Wir schreiben das Jahr 2021. Die Bevölkerung ist unzufrieden.
Im Wartehäuschen einer Bushaltestelle sitzen sich einige Fahrgäste in zwei Grüppchen mit einigem Abstand gegenüber. Offensichtlich gehören sie zu unterschiedlichen Einkommensschichten.
1. Besserverdiener (leise zu seinen zwei Begleitern): Was sind denn das für komische Leute? Haste die schon mal gesehen?
2. Besserverdiener: Nee, guck mal wie die aussehen – richtig dreckig!
3. Besserverdiener: Richtig eklig! Die stinken bestimmt.
1. Besserverdiener: So würde ich niemals aussehen wollen!
2. Besserverdiener: Ja nie im Leben möchte ich so aussehen!
3. Und guck dir den mal ganz rechts an (weist auf einen der Gegenübersitzenden, welcher mit seinem Handy spielt), der lebt offenbar in seiner eigenen Welt! In was für Foren der rumchattet, möchte ich besser nicht wissen.
1. Geringverdiener (blickt herüber): Hey, redet ihr über uns?
1. Besserverdiener (hochnäsig): Über wen denn sonst?
1. Geringverdiener (mit bissigem Blick): Wer seid ihr überhaupt?
1. Besserverdiener: Die Frage müssten wir eigentlich euch stellen. Guck dich doch mal an! (zunehmend abfällig) Und schau dir mal deinen Kumpel und deine Freundin an, wie dreckig ihr alle ausseht!
1. Geringverdiener (aggressiv): Hey, halt mal deine Schnauze!
1. Besserverdiener (lachend): Wetten, du hast keine Kohle!
1. Geringverdiener (laut): Wir kommen aus Berlin und ihr, was seid ihr denn für Typen?
1. Besserverdiener: Hier (schmeißt dem anderen eine Euro-Münze vor die Füße), geh dir mal was zu trinken kaufen!
1. Geringverdiener: Hey!!!
Der Provozierte springt plötzlich auf und schleudert sein Gegenüber mit ganzer Kraft von der Sitzbank.
1. Besserverdiener (verängstigt auf dem Boden liegend): Hey, chill!
Der Aufgebrachte will auf den am Boden Liegenden eintreten, wird aber im letzten Moment von seiner Freundin und seinem Kumpel daran gehindert. Die Begleiter des Überwältigten haben sich hinter ihre Sitzbank geflüchtet und sehen passiv dem Geschehen zu.
2. Akt: Beim Test
Erzählerin: Wir befinden uns im Jahr 2040. Ein neuer Intelligenztest zur Einschätzung der beruflichen Fähigkeiten von Schulabsolventen wurde gerade eingeführt.
In einem Testzentrum stehen bequeme Sessel, über denen riesige, helmförmige Lampenschirme hängen. Der in einen weißen Kittel gekleidete Testleiter Dr. Dean begrüßt die zwei eintretenden Schulabsolventen Mario Dessau und Anton Grabotschka. Mario stammt aus einer Familie von Durchschnitts- und Anton aus einer Familie von Spitzenverdienern.
Dr. Dean: Herr Dessau, setzen Sie sich bitte hin! Hier auf die linke Seite!
Mario (Platz nehmend): Guten Tag!
Dr. Dean: Herr Grabotschka, bitte auf die andere Seite setzen!
Anton (Platz nehmend): Schönen guten Tag!
Dr. Dean: Sie wissen, was sie jetzt erwartet?
Mario und Anton (lächelnd): Ja!
Dr. Dean: Sie kriegen jetzt jeweils so einen Helm (weist nach oben) aufgesetzt und dann starten wir mit der Analyse
Zwei weitere Laborärzte betreten den Raum.
Dr. Lenz: Mit den Geräten wird Ihre Gehirnaktivität gemessen, um Ihre berufliche Befähigung zu bestimmen. So können wir für Sie den passenden Beruf herausfinden, für eine größtmögliche Zufriedenheit in Ihrem Leben.
Dr. Lane (zu beiden Probanden): Bitte stillsitzen!
Die helmartigen Lampenschirme fahren auf die Köpfe der Testpersonen hinunter und beginnen orangerot zu leuchten. Es vergeht keine Minute, bis das Leuchten wieder erlischt.
Dr. Dean (zu Mario): Sehr geehrter Herr Dessau, wir fangen bei Ihnen an.
Mario: Natürlich, gerne!
Marios Lampenschirm wird wieder hochgefahren. Dr. Dean schaut auf ein Hologrammdisplay mit zahlreichen Daten.
Dr. Dean: Nach gründlicher Auswertung ist Ihr Ergebnis erstaunlich gut. Sie haben auf einem oberen Niveau abgeschnitten.
Mario (ballt seine rechte Faust): Yippy, ich hatte ’nen Highscore!
Dr. Dean (nüchtern fortfahrend): Ihre Kompetenzen liegen im räumlichen Denken und deswegen haben wir Ihnen den Beruf des Architekten zugeordnet. Was sagen Sie dazu?
Mario (erfreut): Ich denke, dass müsste ganz gut passen. Sachen bauen kann ich sehr gut.
Dr. Dean (ringt sich zu einem Lächeln durch): Richtig! Na dann noch einen schönen Tag! (Mario verlässt beschwingt das Testzentrum.) Und nun zu Ihnen, Herr Grabotschka! Bei Ihnen kam nach gründlicher Analyse ein (verzieht leicht das Gesicht) – ja, wie beschreibe ich das – durchwachsenes Ergebnis heraus. Sie haben auf einem unteren Niveau abgeschnitten. Dennoch lagen Ihre Kompetenzen im physischen Bereich und somit haben wir Ihnen den passenden Beruf des KFZ-Mechatronikers zugeordnet. Was denken Sie darüber?
Anton (froh): Na ich find das eigentlich sehr gut! Ich interessiere mich für Autos und das ist somit der beste Beruf, den ich mehr vorstellen kann. Sie machen mich so glücklich, Doktor Dean! Danke! Und schönen Tag noch!
Anton verlässt euphorisch das Testzentrum und Dr. Dean scheint mit seinen Gedanken schon wieder bei den nächsten Testkandidaten zu sein.
3. Akt: Vor dem Testzentrum
Erzählerin: Vor dem Testzentrum hat Mario auf Anton gewartet.
Anton: Hey Mario, Mann! Wie war dein Test?
Mario (stolz): Ich werde Architekt.
Anton (etwas skeptisch): Architekt? Wie haste das geschafft?
Mario: Na ich kann räumlich denken und Sachen bauen! Und du?
Anton (nicht weniger stolz): KFZ-Mechatroniker! Da kann ich auch etwas zusammenbauen, aber selbst und mit meinen Händen!
Mario: Ok, cool!
Schulfreunde von Marion und Anton kommen zum Eingang des Testzentrums, wohl auch um sich dem Test zu unterziehen.
1. Schulkumpel von Mario: Hey Mario, schon fertig?
Mario: Ja das ging sauschnell.
2. Schulkumpel von M.: Und was ist rausgekommen?
Mario: Na ich soll Architekt werden.
1. Schulkumpel von M. (spreizt vier Finger der rechten Hand zu einem doppelten Victory-Zeichen): Green, Architekt!
Auch Anton wird unterdessen von seinen Kumpels umringt.
1. Schulkumpel von Anton: Anton, was war’s bei dir?
Anton: Was mit Autos und Informatik.
1. Schulkumpel von A.: Na super! Und wer ist der (weist auf Mario) da drüben?
Anton: Das ist der Mario, der war der andere Testkandidat.
2. Schulkumpel von A.: Ja den kenn ich vom Fußball!
Anton: Der soll KFZ-Mechatroniker werden.
1. Schulkumpel von A.: Guck mal, der ist stolz wie Bolle!
Anton: Na ich auch!
Beide Schulkumpel von A.: Na wir müssen langsam auch mal rein zum Test! Wünsch uns Glück!
Anton: Das werdet ihr bestimmt haben!
Auch Marios Freunde begeben sich ins Testzentrum. Mario und Anton beschließen ihren Erfolg mit einem dieser altmodischen Hanfbiere zu feiern, die berauschen, aber nicht abhängig machen.