Am Vorabend der Revolution

Zeitreise-Bericht einer Gruppe von Schülern (Klassenstufe 9 bis 11) des Reclam-Gymnasiums in Leipzig vom 28. bis 29. Januar 2020


Wir schreiben das Jahr 2040

Die BRD befindet sich in bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen. Der Kapitalismus hat die Menschen gespalten wie noch nie zuvor in einem Land. Doch wie konnte es dazu kommen?

Alles begann damit, dass die AfD die stärkste Partei in Deutschland wurde. Dies schaffte sie durch Versprechungen von Sicherheit und Wohlstand für alle Deutschen. Einmal an der Macht, veranlasste die AfD den sofortigen Austritt aus der EU und allen Handelsabkommen. Somit wurde Deutschland international isoliert und die bisher exportorientierte Wirtschaft brach ein.

Ein Gesetz zur „Bewahrung der deutschen Bevölkerung“ wurde verabschiedet. Es sah vor, dass sämtliche „Nicht-Deutsche“ aus dem Land ausgebürgert werden sollten. Dies war ein weiterer Grund für hohe Spannungen in der Bevölkerung, da das Gesetz von vielen als beliebig und unmenschlich angesehen wurde. Dies führte auch zu einer Spaltung der AfD. Die weniger extremen Mitglieder und Abgeordneten verließen aus Protest gegen den neuen Kurs Partei und Land.

Schließlich gestaltete die AfD-geführte Regierung das öffentliche Leben in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht völlig neu. Die Parteienlandschaft wurde „reformiert“, indem alle alten Parteien „auf den Müllhaufen der Geschichte“ geworfen wurden. Neue Parteien mussten von den Behörden eine Erlaubnis zur Gründung bekommen, weshalb es heute keine wirkliche Opposition mehr gibt.

Die neue Wirtschaftspolitik führte dazu, dass die reichsten 0,1 % der Menschen jetzt fast alles Eigentum im Land besitzen. Die Arbeiter aus Mittelschicht und Geringverdienendenschicht müssen schuften. Die 90 % Geringverdienenden leben mit nur grundlegender Medizinversorgung und ohne Möglichkeit auf höhere Bildung. Es gibt keinen ausreichenden Wohnraum und sie erhalten gerade genug Nahrung zum Überleben. 9,9 % der Bürger zählen zur Mittelschicht, allerdings immer bedroht vom sozialen Abstieg. Die „oberen Zehntausend“ leben in Villen, speisen täglich vom edelsten Buffet und leisten sich einen eigenen Hausarzt.

Offiziell wird noch gewählt, allerdings gibt es nur noch die aus der AfD hervorgegangene Deutsche Wirtschaftspartei DWP, welche von den Wirtschaftsbossen wie eine Marionette gesteuert wird. Die Stimmung in der Bevölkerung kocht und immer wieder gehen 500.000 Menschen und mehr auf die Straße. Es kommt zu gewalttätigen Ausschreitungen, bei denen bisher schon 5 Tote zu beklagen sind. Zwar gibt es auch kleine Auseinandersetzungen zwischen rechten und linken Demonstranten, allerdings tritt das Volk insgesamt recht geschlossen auf.

Wann kommt es zur Revolution?



Eine Szene, die sich im Jahre 2040 zugetragen hat…

1. Akt: In der Villa

 Handelnde Personen:  

  • Politiker  
  • Geschäftsmann  

Das Arbeitszimmer eines Politikers der Deutschen Wirtschaftspartei. Ein Geschäftsmann tritt ein, um dem Politiker sein geheimes Projekt vorzustellen.

Politiker: Guten Tag, der Herr. Sie wollten mir Ihr neues Projekt vorstellen?

Geschäftsmann (holt Unterlagen aus seinem Koffer): Richtig. Dieses Konzept habe ich entwickelt, um die Arbeitsleistung des Landes zu maximieren. Alle Arbeiter werden in Zukunft jährlich einen Monat von ihrem regulären Job beurlaubt, um stattdessen in unserem neuen Arbeitszentrum zu arbeiten. (breitet Pläne auf einem Tisch aus, beide Männer beugen sich darüber)

Geschäftsmann: Natürlich machen die Arbeiter das ohne Bezahlung. Wir verkaufen ihnen das als Arbeitstherapie für eine ausgeglichenere Psyche. Und diejenigen, die sich weigern, kommen ins Gefängnis. Dieses Projekt werden wir die „Allgemeine Arbeitskur“ nennen.

Politiker (vehement): Nein, das geht nicht. Absolut unmöglich. Undenkbar! (überlegt) Wie wäre es mit „Oase des Friedens“?

Geschäftsmann (erleichtert): Ach ja, das klingt unverfänglicher. Die „Oase des Friedens“, wer würde da nicht gerne hin?

Politiker: Mein Herr, das klingt genial. Denken Sie, das Projekt wird bei den Bürgern gut ankommen?

Geschäftsmann: Nein, aber das ist uns ja egal. Denn wir sind reich.

Politiker: Perfekt. Darauf rauchen wir eine, oder? (bietet teure Zigarren an)

Geschäftsmann: Vielen Dank. (nimmt ihm eine Zigarre ab) Natürlich nur einen Zug, denn wir sind reich. (beide zünden die Zigarren an, nehmen einen Zug und werfen sie dann weg) Herrlich!

Politiker: Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag.

Der Geschäftsmann verlässt die Villa des Politikers, steigt in seine Limousine und lässt sich davonfahren.


2. Akt: Auf der Straße

 Handelnde Personen:  

  • Emma – Schulkind  
  • Doro – Organisatorin der Demonstration  
  • linke Demonstranten  
  • rechte Demonstranten  
  • reicher Mann  
  • Polizisten  

Das Schulkind Emma tritt auf Doro zu, die gerade Plakate für eine Demonstration malt.

Emma (schüchtern): Hallo, sind Sie diejenige, die die Demonstration organisiert?

Doro: Ja, was ist denn?

Emma: Ich wollte fragen, ob ich mitkommen kann?

Doro: Aber musst du denn nicht zur Schule?

Emma: Naja, mein Vater ist gerade im Kurzentrum, und wir können uns die Schule nicht mehr leisten. Und ich finde, das geht so einfach nicht weiter. Ich möchte mich politisch engagieren.

Doro: Okay, das ist genau, weshalb wir auf die Straße gehen. Je mehr wir sind, desto besser. Komm mit!

Später auf der Demonstration gibt es zwei Gruppen von Menschen, die sich gegenüberstehen und einander ihre Parolen entgegenrufen. Die Stimmung ist aufgeheizt.

Rechte Demonstranten (rufen im Sprechchor): Ausländer raus! Ausländer raus!

Linke Demonstranten (rufen dagegen im Sprechchor): Alerta! Alerta! Antifascista!

Emma (verzweifelt): Ich dachte, wir demonstrieren gegen die da oben! Und nicht gegen uns gegenseitig! Das Problem ist doch das System der Reichen, das uns gegeneinander aufhetzt und uns alle zugrunde richtet!

Die Demonstranten blicken sich an und murmeln etwas Zustimmendes. Dann schließen sich die beiden Gruppen zusammen und die Demonstration bewegt sich auf das Villenviertel zu.

Alle Demonstranten zusammen (im Sprechchor): Nieder mit den Bonzen! Nieder mit den Bonzen!

Reicher Mann (schreit aus dem Fenster seiner Villa): Alarm! Alarm! Aufstand der Armen! Polizei! Zu Hilfe! (an die Demonstranten gerichtet) Verlassen Sie sofort unser Viertel oder wir werden anfangen müssen zu schießen!

Die Situation droht zu eskalieren, als die Polizei anrückt und gewaltsam versucht, die Demonstration aufzulösen.


3. Akt: Im Supermarkt

 Handelnde Personen:

  • Hausdiener der Familie Gauner  
  • Verkäuferin  
  • Schlägertrupp  

Ein gutgekleideter Herr betritt ein Geschäft und wendet sich sofort an die Verkäuferin.

Hausdiener: Schönen guten Tag! Ich bin der Hausdiener der Familie Gauner.

Verkäuferin (erfreut): Ach ja, Familie Gauner! Was möchten Sie denn haben?

Hausdiener: Ich hätte gerne zehn von diesen Südfrüchten.

Verkäuferin: Das sollte kein Problem sein.

Hausdiener: Und dann hätte ich gerne noch ein bisschen Fleisch, ein bisschen Wurst … Ich meine, wen interessiert schon die Umwelt. Und noch ein bisschen Käse. Und, mal unter uns, der Herr Gauner möchte bald wieder auf die Jagd gehen. Hätten Sie da vielleicht noch ein Gewehr für ihn?

Verkäuferin: Ja schon, da bräuchte ich dann Ihren Ausweis.

Hausdiener: Natürlich, hier ist meine Dienstmarke. (holt die Dienstmarke hervor, zeigt sie der Verkäuferin)

Verkäuferin: In Ordnung. Hier. (überreicht das Gewehr) Und sagen Sie Familie Gauner bitte schöne Grüße.

Hausdiener: Wie viel bekommen Sie denn?

Verkäuferin: 47.000 Deutschtaler.

Hausdiener (erfreut): Perfekt. Es wird auch immer besser hier. (bezahlt)

Verkäuferin: Ich weiß. Ich versuche, meine Preise etwas zu drücken, damit auch der ärmere Teil der Gesellschaft sich mal etwas leisten kann.

Hausdiener (arrogant): Müssen Sie nicht, müssen Sie nicht. Die sind eh bald alle in ihren „Oasen“. (kichert verächtlich)

Verkäuferin: Naja, man möchte ja auch etwas Gutes für seine Mitmenschen tun, aber die Realität sieht im Moment leider so aus, dass sie sich trotzdem in meinem Laden kaum etwas leisten können.

Hausdiener: Wissen Sie, werte Dame, wenn Sie uns helfen, das reicht komplett.

Verkäuferin: Na dann, empfehlen Sie uns weiter. Auf Wiedersehen!

Hausdiener: Auf Wiedersehen! (verlässt das Geschäft)

Auf der Straße lauert dem Hausdiener eine Gruppe von Hungernden auf. Unter Androhung von Gewalt werden ihm seine Einkäufe abgenommen.