Wie sich der Populismus selbst abschaffte

Zeitreise-Bericht einer 11. und 12. Klasse des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums in Zwickau vom 16. bis 17. September 2019

Wir schreiben das Jahr 2040

Eine breite Mittelschicht wird getragen von einem großzügigen monatlichen Grundeinkommen von 1.700 Euro sowie einem Stunden-Mindestlohn von 15 Euro. Das Gesundheitssystem ist ebenso wie die Rundumversorgung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln fortschrittlich entwickelt. Die Angleichung der materiellen Lebensverhältnisse erfolgt durch eine konsequente Besteuerung sehr hoher Einkommen.

Das wird von den betroffenen Führungseliten in Unternehmen in Kauf genommen, weil sowohl die Fachkräfte vor Ort gut ausgebildet sind als auch die gesellschaftliche Stabilität eine entscheidende Rolle spielt. Während in anderen Ländern politisches Chaos herrscht, wird Deutschland unaufgeregt mit „ruhiger Hand“ vernünftig und verlässlich regiert.

Ein weiterer Grund für das positive gesellschaftliche Klima ist die hohe Anerkennung der Steuerzahler innerhalb der Bevölkerung – wer Steuern in die Staatskasse zahlt, gilt nicht mehr als „Abzocker“ oder „Ausbeuter“ und kann auf großen Respekt in der Bevölkerung zählen. Auch wer wenig verdient, wird nicht abschätzig behandelt.

Populisten haben es schwer, in der Politik zu punkten. Hatten viele Bürger früher kritisiert, dass sie zu wenig mitgestalten dürften, wird inzwischen über zahlreiche politische Sachfragen per Volksentscheid abgestimmt. Diese neue Teilhabe der Bürger an der Politik stößt allseits auf große Zustimmung. Diskriminierungen von Minderheiten aufgrund von Homosexualität, ethnischer, nationaler oder religiöser „Herkunft“ bilden die seltene Ausnahme und werden von der großen Mehrheit der Bevölkerung entschieden abgelehnt.



Eine Szene, die sich im Jahre 2040 zugetragen hat…

1. Akt: In der Schule

 Handelnde Personen:

  • Herr Richter – Klassenlehrer  
  • Tim – Schüler  
  • Lea – Schülerin  

Herr Richter, der Klassenlehrer, kommt ins Klassenzimmer.

Herr Richter: Moin moin! Tim, könntest Du bitte wiederholen, was wir letzte Stunde gemacht haben?

Tim: Das weiß ich leider nicht mehr. (zu Lea) Was hatten wir gleich dran?

Lea: Weißt Du das nicht mehr?! Schwach. (tippt auf ihrem Hand-Bildschirm) Es ging um Populismus im Jahr 2019.

Tim (zu Herrn Richter): Wie war das denn?

Herr Richter: Früher… (überlegt ein bisschen) Wir haben den Populismus abgeschafft dank des verstärkten politischen Partizipationswillens des Volkes. Die Populisten sind zwar an die Macht gekommen, indem sie mit billigen Parolen uns das Blaue vom Himmel versprochen haben. Aber sehr viel mehr als mehr Referenden zu den verschiedensten Themen kam dabei nicht raus. (grinst) Ironischerweise haben die Knalltüten aber genau das eingeführt, was sie letztlich von der politischen Bildfläche verschwinden ließ: Mit viel direkter Demokratie brauchen wir keine selbsternannten „Stimmen des Volkes“ mehr und so haben wir Bürger selbst per Volksentscheid für die sozialen Gesetze gesorgt, auf die die meisten von uns doch schon so lange gewartet hatten.

Lea: Ach, deswegen haben wir jetzt das BGE? Wie hoch war das gleich?

Herr Richter: Genau. Das bedingungslose Grundeinkommen beträgt derzeit 1000 Euro im Monat, im Referendum letzte Woche wurde die Erhöhung angenommen. Aber wisst Ihr, die direkte Demokratie und das BGE ist nicht alles, vor allem durch die Digitalisierung hat sich in den letzten Jahren echt viel verändert. Als ich damals im Geschichtsunterricht saß, habe ich gar nichts gerafft und die digitalen Tafeln von damals haben ständig geflimmert und mussten kalibriert werden. Das kann man sich heute ja gar nicht mehr vorstellen. Aber ihr kennt ja sicherlich die alten Filme aus den 2010ern, wo die Leute auch so komische Autos fahren. (lacht und zwinkert den Schülern zu) Ich schicke Euch mal zu den beiden Themen je ein Arbeitsblatt zum Thema (wischt auf der Hand).

Lea und Tim (empfangen die Arbeitsblätter): Danke!

Herr Richter: Gut, das reicht für heute. Die Stunde ist beendet.


2. Akt: Im Unternehmen Mr. Robot

 Handelnde Personen:

  • Tasmin – Angestellte  
  • Etienne – Unternehmer  
  • Roboter  

Tasmin steuert einen Roboter, der unerlässlich Gegenstände von der einen in die andere Ecke trägt.

Tasmin (schimpft vor sich hin): So eine Sklavenfabrik! 5 Stunden am Tag arbeiten, geht’s noch? Total langweilig, die ganze Zeit auf den Roboter zu starren und hin und wieder ihn zu ölen. Wer gibt mir eine Massage für diesen Knochenjob?

Von hinten kommt Etienne, der Inhaber der Fabrik, mit gespitzten Ohren herein und wird ganz wild.

Etienne (wütend und laut): Wie bitte? Knochenjob in einer Sklavenfabrik? Ich höre wohl nicht recht! Von einer 25-Stunden-Woche konnten unsere Eltern und Großeltern doch nur träumen! Heutzutage sind die Menschen verwöhnt und verweichlicht.

Tasmin (immernoch aufmüpfig): Verweichlicht? Wissen Sie, wie das ist, 5 Stunden hintereinander immer dasselbe zu tun? Voll langweilig!

Etienne (mit gehobenem Zeigefinger): Keine 20 Jahre ist es her und die Menschen klagten von Burnout und Zeitmangel. Die mussten teils über 10 Stunden schuften – und zwar richtig! Mit den Robotern haben nun die Menschen zu viel Zeit und klagen über Langeweile. Und das bei einem Mindeststundenlohn von 15 Euro. Hör zu, wenn Du magst, kann ich auch nächste Woche das Nachfolgemodell des Roboters kaufen und dann feuere ich Dich.

Tasmin (kleinlaut): Nein, nein, ist ja schon gut. Ich bin heute einfach nur genervt. Lieber das hier als komplette Langeweile ohne Zuverdienst.

Etienne lässt ab, schimpft noch etwas, aber geht dann weiter in sein Büro, um den Roboterpflegeservice anzurufen.


3. Akt: Zu Hause

 Handelnde Personen:

  • Maria – Mutter  
  • Lena – Tochter  

Lena liegt krank im Bett und hustet. Maria kommt rein, mit allerhand Medikamenten in der Hand.

Maria: Geht’s Dir schon besser, mein Kind?

Lena: Geht so. So viele Medikamente. Waren die nicht teuer?

Maria: Teuer? Naja, für Dich vielleicht. Im Vergleich zu früher sind die heute spottbillig. Vor 20 Jahren war alles noch ganz anders. Da habe ich nicht mal die Hälfte verdient. Da gab es ja auch noch Läden. (Lena hört immer interessierter zu) Heute wird ja alles nur per Drohne geliefert. Du kannst Dir bestimmt gar keine Welt ohne Drohnen vorstellen, oder?

Lena schaut erst nachdenklich ihre Mutter an und grinst dann nickend. Eine Drohne kommt angeflogen.

Lena: Und warum ist das heute so günstig?

Maria: Das Gesundheitswesen wurde reformiert, es gibt Zuschüsse vom Staat – nun kann sich jedermann Medikamente leisten. Die Medikamente wirken auch viel schneller wegen der verbesserten Rezepturen. Und es ist biologisch abbaubar.