Fake New Leipzig

Zeitreise-Bericht einer 9. Klasse des Johann-Keppler-Gymnasiums vom 8. bis 9. Oktober 2019

Wir schreiben das Jahr 2040

Leipzig ist zweigeteilt. Die Städter leben in zwei komplett verschiedenen Welten, ohne dass die eine Seite von der Existenz der anderen weiß. In dem einen Teil ist der Lebensstandard sehr hoch, Gesundheits- und Bildungssystem sind weit entwickelt, die Menschen können sich viel Luxus leisten und sind sehr zufrieden mit ihrer Situation. Es gibt nichts, was sie vermissen.

In dem anderen Teil herrscht Armut, die Schulen verfallen, Krankheiten werden anstatt von chemischen Medikamenten nur mithilfe von Pflanzen und Homöopathie bekämpft. Das führt dazu, dass die Sterberate hier sehr hoch ist. Die Lebenserwartung ist mit 45 Jahren im Vergleich zur anderen Seite Leipzigs deutlich niedriger. Dort wird man durchschnittlich 105 Jahre alt.

Handys, Computer und andere komplexe Technologien sind aus dem Alltag der armen Leipziger Hälfte verschwunden, da dies von der Politik mit einer notwendigen „grünen“ Wende begründet wurde. Aus dem gleichen Grund gibt es anstatt Autos nur noch Fahrräder in diesem Teil der Stadt. Getrennt wird Leipzig durch eine virtuelle „Mauer“. Sie ist ein Hologramm, welches vorgaukelt, dass auf der jeweils anderen Seite katastrophale Zustände herrschen. Das schreckt die Menschen davor ab, den jeweils fremden Stadtteil zu betreten. Dies erklärt auch, warum die Bewohner der armen Seite Leipzigs durchaus zufrieden sind – weil sie in dem Glauben sind, in der besseren Welt zu leben.

Eine Kaste von Politikern hält diese Gesellschaft am Laufen. Allein sie wissen von der Existenz der beiden Stadtteile. Die „Cheaper“ vertreten den armen Teil, die „Expensives“ den wohlhabenden. In gemeinsamen wöchentlichen Regierungstreffen koordinieren und organisieren sie das Stadtleben. Um auf Nummer sicher zu gehen, wird das gesellschaftliche Leben in beiden Teilen mit Drohnen und Wanzen intensiv überwacht, Kritik und Protest schon im Keim erstickt. Alles nach dem Motto: Vertrauen ist gut, absolute Kontrolle ist besser.



Eine Szene, die sich im Jahre 2040 zugetragen hat…

1. Akt: Auf der Straße

 Handelnde Personen:

  • Charlie – Schülerin
  • Penelope – Mutter von Charlie  

Charlie läuft mit ihrer Mutter die Straße herunter.

Charlie: Ich muss gleich in die Schule gehen.

Penelope: Was steht denn eigentlich auf dem Stundenplan?

Charlie: Also heute kommt ein Politiker zu uns und wir reden mit ihm.

Penelope: Das klingt sehr spannend.

Charlie: Und sag mal, Mama, warum haben wir zu Hause so viele Pflanzen zum Heilen, sind das irgendwelche Medikamente?

Penelope: Weil Greta Thunberg früher sehr berühmt war und sich um den Klimawandel gekümmert hat wegen der Erderwärmung. Das mit der Medikamentenherstellung erzeugte einfach zu viel Co2-Ausstoß. Deswegen haben wir es auch gelassen. Unter anderem war das auch einfach viel kostenaufwendiger.

Charlie: Das klingt sehr spannend, darüber können wir ja nächstes Mal noch reden.

Penelope: Ja, genau!

Charlie: Tschüss, Mama!

Sie verabschieden sich, Charlie macht sich auf in die Schule, während Penelope in einen Laden geht.


2. Akt: Im Klassenzimmer

 Handelnde Personen:

  • Charlie – Schülerin
  • Mr. Pi – Geschichtslehrer  

In der Schule hat Charlie nun Geschichte. Der Geschichtslehrer Mr. Pi zeigt zu Beginn ein Video mit Greta Thunberg.

Thunberg (skandierend): Wir protestieren, auf allen vieren! Wir produzieren – zu viel Co2!

Mr. Pi macht das Video aus und blickt fragend in die Runde.

Mr. Pi: Und? Kennt die jemand? (betretenes Schweigen) Dachte ich mir schon. Als Greta Thunberg berühmt wurde, habt ihr ja noch nicht einmal gelebt (grinst breit). Aber von der Mauer habt ihr schon gehört, oder? (erneut betretenes Schweigen, er etwas enttäuscht) Na gut, ich erkläre es Euch. Also, es gibt bei uns eine Mauer (zeichnet gleichzeitig eine Mauer an die Tafel). Wir sind also hier und auf der anderen Seite – herrscht Krieg. Ganz fürchterlich. Hier ist unsere Armee, da sind die Gegner, dazwischen ist ein Feld, das frei ist. Die versuchen uns einzunehmen, indem sie es überqueren und wir schießen sie dabei ab (schaut ernst in die Runde).

Die Hologramm-Mauer ist dafür da, dass ihr vor dem Krieg beschützt seid. Durch die Mauer könnt Ihr ohne Angst in die Schule gehen und hier ist die gute Seite, wo die Schule staatlich gefördert wird. Habt ihr noch Fragen?

Charlie: Was ist denn eine Holo… Hologramm-Mauer?

Mr. Pi: Hologramm? (sichtlich überrascht) Ähm, das habe ich – glaube ich – gar nicht gesagt. Ich meine eine Mauer, na so eine Mauer eben. So, Schluss, bis morgen!

Mr. Pi geht kopfschüttelnd aus dem Klassenzimmer und murmelt vor sich hin.


3. Akt: Im Lehrerzimmer

 Handelnde Personen:

  • Mr. Pi – Geschichtslehrer  
  • Frau Seltsam – Biologielehrerin  
  • Roboter – Kellner  
  • Spaziergängerin 1  
  • Spaziergängerin 2  

Mr. Pi setzt sich stöhnend zu Frau Seltsam an den Tisch.

Frau Seltsam: Und wie ging‘s bei Dir?

Mr. Pi: Bei mir waren die Schüler wieder so dumm und haben alles geglaubt. (schlägt sich lachend auf die Oberschenkel)

Roboter: Guten Tag, was kann ich bringen?

Mr. Pi (ohne den Roboter anzuschauen): Einen Kaffee, danke.

Frau Seltsam: Ja, bei mir ist es genau das Gleiche. Die glauben immer, was ich sag (lacht).

Mr. Pi: Ich habe mir das neue Iphone 40 geholt.

Frau Seltsam: Ich habe immer noch das alte Iphone 39x. (schaut hastig auf die Uhr) Ich habe nicht viel Zeit, ich muss mich noch auf einen Termin vorbereiten.

Sie schauen durch das offene Fenster und sehen zwei ältere Damen, die sich mit ihren Rollatoren über die Straße schieben.

Spaziergängerin 1: Die könnten mal eine neue Rollatoren-Generation entwickeln. Da sagt die Ärztin mir doch glatt: „Bewegung tut im Alter gut.“ Pff. Kann Sie doch auf ihren (verächtlich) „autonomously flying“ Porsche verzichten, bestimmt auch gesund (grinst breit).

Spaziergängerin 2: Mecker doch nicht. Im Prinzip ist es doch heute viel besser als früher. Fliegende Autos – toll, dass ich das noch erleben darf. Würde Erwin nur noch leben…

Spaziergängerin 1: Hast ja Recht. Wir müssen auch nicht aufpassen, weil die über uns fliegen. Früher konnte es als Fußgänger auf der Straße auch schnell mal gefährlich werden. Auch die Medikamente und die neue Medizin – für uns beide schon echt sehr hilfreich. Wir werden jetzt gegen Krebs geheilt. Hätte das Dein Erwin nur miterleben dürfen…

Spaziergängerin 2 (erst etwas traurig, dann aber mit Freude im Blick): Ja eben. Wir können auch länger leben und meine Haare – die werden nun nicht mehr grau (fährt sich stolz durch die Haare)!

Spaziergängerin 1: Ja, durch das neue Super-Eisen.

Spaziergängerin 2: Ich habe übrigens neulich gehört, die haben wieder neue Produkte entwickelt. Die Ankündigung ist raus, aber was es genau ist, haben sie nicht gesagt. Es hieß „Industrialisierung – Digitalisierung – unsere neue Technologie“. Bin echt gespannt.

Spaziergängerin 1: Die Politik macht schon echt vieles richtig. Ich weiß, wo ich wieder mein Kreuzchen mache (schmunzelnd).

Spaziergängerin 2: Perfekt, ich auch!

Spaziergängerin 1: Einen schönen Tag noch!

Mr. Pi und Frau Seltsam schmunzeln sich an und reden noch kurz über die Generation von „gestern“. Schließlich eilt Frau Seltsam aus dem Lehrerzimmer.